Biopolymere aus Abwasser (Forschung am Institut für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik der LUH, erster Workshop am 14. Dez. 2022)
Kunststoffe sind heute ein unverzichtbarer Teil unseres täglichen Lebens ... Aber: Die extreme Beständigkeit petro-chemischer Kunststoffe macht sie bei unsachgemäßer Entsorgung zu einem Umweltproblem, insbesondere in Form von Mikro-Plastik und Meeres-Müll. Zudem sind die meisten Kunststoffe petro-chemischen Ursprungs und verbrauchen nicht-regenerative Rohstoffe und produzieren Treibhausgase.
Die alternative Nutzung biologisch abbaubarer biobasierter Kunststoffe könnte zur Minimierung der Probleme beitragen, ist aber in der Herstellung derzeit noch vergleichsweise teuer.
Ein möglicher Ersatz für petrochemische Kunststoffe ist die Nutzung von Abwässern aus der Produktion in Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Deren Biomasse-Anteil eignet sich in besonderer Weise zur bioverfahrens-technischen Herstellung von Biopolymeren wie Polyhydroxyalkanoate.
Polyhydroxyalkanoate (PHA) sind natürlich vorkommende wasserunlösliche und lineare
Biopolyester, die von vielen Bakterien als Reservestoffe für Kohlenstoff und Energie gebildet werden. Diese Biopolymere sind biologisch abbaubar und werden zur Herstellung von
bio-basierten Kunststoffen verwendet.
(vereinfacht nach: Tamang, Pravesh; Bhalerao, Aniruddha; Rosenwinkel, Karl-Heinz; Nogueira, Regina: Ein integrierter Ansatz zur Biopolymerproduktion aus Abwasser, in: Wasser und Abfall, 6, 2020, S. 19-22)
Kollegiat*innen aus Chemiekursen des Niedersächsischen Studienkollegs in Hannover besuch(t)en die Workshops.
'Diese bio-basierten Kunststoffe haben thermoplastische Eigenschaften und können konventionelle Kunststoffe, die
bisher petroleumbasierten Polyolefine, ersetzen. Polyolefine gehören heute -
mit über 47 % des Gesamtjahresverbrauchs an Kunststoff in Europa - zu den beliebtesten Kunststoffen. Ihre Verwendungsbereiche sind vielfältig:
LDPE (=Weich-Polyethylen): Frischhaltefolie, Tragetaschen, landwirtschaftliche Folien,Milchkarton-Beschichtungen, Kabel-Beschichtungen,
leistungsfähige Industrieverpackungen.
LLDPE (= lineares Polyethylen niederer Dichte): Folien für die Industrieverpackung, Dünnwand-Behälter und hochleistungsfähige
Beutel.
HDPE (=Hart-Polyethylen): Kisten und Behälter, Flaschen und Behälter (für Nahrungsmittel, Reinigungsmittel, Kosmetik), Spielzeug, Benzintanks,
Industrieverpackungen und -folien, Rohre und Haushaltswaren.
PP (=Polypropylen, Kunststoff ohne Weichmacher): Lebensmittelverpackung, wie Becher für Joghurt- und Margarine, Verpackungen für Süßigkeiten- und
Imbiss, Mikrowellen-Geschirr, Teppichfasern, Gartenmöbel, medizinische Verpackungen und Geräte, Koffer, Küchengeräte und Rohre.'
(vgl. Kunststoff-Deutschland: Polyolefine URL:https://www.kunststoff-deutschland.com/html/polyolefine.html)
Im Forschungsfeld Mikrobiologie des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik werden die Aktivitäten von Bakterien bzw. Mikroorganismen in den Blick genommen. Die Mikroskopie spielt dabei eine wichtige Rolle, wie im Workshop dieses Teilprojektes verdeutlicht wurde..
Eine erste Klärwerksführung fand am 14. Dezember mit Teilnehmenden des Studienkollegs in der Kläranlage Herrenhausen statt.
Mikroorganismen im Belebtschlamm produzieren Polyester (Polyhydroxyalkanoate)
Polyhydroxyalkanoate (PHAs) "gehören zur Gruppe der Polyester, können von mehr als 300 Mikroorganismen hergestellt werden und wurden in vielen Bakterien im Belebtschlamm kommunaler Kläranlagen nachgewiesen – sind also abbaubar. Die Bakterien nutzen PHAs dabei überwiegend als Energie- und Kohlenstoffspeicher. (...)
Bild einer Kläranlage von Michal Jarmoluk auf Pixabay
Eine weitere "Führung durch das Klärwerk in Herrenhausen" für Studierende im Gasthörenden- & Seniorenstudium an der
Leibniz Universität fand am Dienstag, den 25. April statt. Ein "Planspiel zum Thema Klärschlamm-Verwertung" musste mangels ausreichender Anmeldezahlen leider
abgesagt werden.
PHA-produzierende Bakterien nutzen die intrazellulär gespeicherten Polymere während des Substratmangels als Kohlenstoff- und Energiequelle und erlangen so einen
Selektionsvorteil. Die derart angereicherte Biomasse lässt sich nutzen, um PHAs zu produzieren. (...) Die Produktion läuft im Bypass zur Abwasserreinigung, ohne die Reinigungsleistung der
Kläranlage zu beeinflussen.
Allerdings steht diese Biopolymerproduktion teilweise in Konkurrenz zur Biogasproduktion, die ebenfalls von Primärschlamm ausgeht. Bis zu 39 Prozent des im Primärschlamm enthaltenen organisch gebundenen Kohlenstoffs wandeln sich in Fettsäuren für die PHA-Produktion um und fehlen damit bei der Biogaserzeugung durch anaerobe Fäulnis."
Pittmann, Timo: Biopolymere aus der Kläranlage.
In: Nachrichten aus der Chemie 64, Nov. 2016
Link: Netzwerk Bioplastik und Kunststoffrecycling
Der Standard (26.10.2022): Mikroorganismen stellen aus Abwasser Biokunststoff her
PHAtiCuS: Marktfähige Schmierstoffe auf PHA-Basis
BIOPRO Baden-Württemberg (15.04.2019): Die Alternative „Biokunststoff“
BIOPRO Baden-Württemberg (05.05.2022): Bakterien produzieren Bioplastik: ressourcenschonend und sehr umweltfreundlich -Minifabriken für die Produktion von Biokunststoff.
Phosphor aus Klärschlamm
Eine andere Ressource, die sich aus dem Klärschlamm rückgewinnen läßt, ist das lebenswichtige und nur begrenzt vorhandene Element Phosphor. Eine neue Klärschlammverordnung regelt daher, dass Phosphor zukünftig aus dem Klärschlamm rückgewonnen werden muss. Ein informativer Kurzfilm zu dieser Thematik findet sich unter folgendem LINK.
Informationen zu Forschungsprojekten in diesem Bereich: